Gold als Stabilitätsanker?

In Krisenzeiten sehen wir immer wieder eine steigende Nachfrage nach Gold aus Anlagemotiven. Dieses Verhalten gründet in der Rolle von Gold als Währungsmetall in der Vergangenheit und der damit assoziierten langfristigen Stabilität von Preisen und Wechselkursen, vor allem während der Periode des internationalen Goldstandards von ca. 1875-1914.

Ist dieser Stabilitätsmythos des Goldes gerechtfertigt? Zur Beantwortung dieser Frage analysieren wir kurz die Entwicklung des Goldpreises in Franken und Dollar im Vergleich zur Entwicklung der Konsumentenpreise in der Schweiz und den USA. Die Abbildungen 1 und 2 zeigen die Entwicklung dieser Grössen als Indizes seit der Schaffung der beiden Währungen, 1850 beziehungsweise 1792.

Daraus ist ersichtlich, dass das Niveau des Goldpreises in den letzten 15 Jahren die historische Inflationsentwicklung leicht (Franken) und recht deutlich (Dollar) überkompensiert hat. Im Mittel liegt die Wachstumsrate des Goldpreises um 0.1% (Franken) und 0.5% (Dollar) über der Inflationsrate. Die Abbildungen zeigen auch klar das dieses Ergebnis durch die Entwicklung in den letzten 50 Jahren bedingt ist: Für diese Periode beträgt die Differenz 2.4% (Franken) beziehungsweise 4.0% (Dollar).

Dieses Ergebnis ist die Folge einer statistisch signifikanten dynamischen Beziehung zwischen der Veränderungsrate des Goldpreises und der Inflation und nicht irgendein Zufallsprodukt. Aufgrund der hohen Volatilität der Goldpreisentwicklung ist dieser Unterschied aber statistisch nicht (Franken) oder nur marginal (Dollar) gesichert.

Wie lassen sich die Ergebnisse erklären? Die «besseren» Goldergebnisse für den Dollar lassen sich leicht durch die seit dem Ersten Weltkrieg belegte reale Trend-Aufwertung des Frankens gegenüber dem Dollar, die gegen 1 % beträgt, erklären. Der Anstieg des international relevanten Dollar-Goldpreises wird durch die reale Aufwertung so in Franken tendenziell reduziert.

Abbildung 1

Abbildung 2

Um die bessere «Goldperfomance» seit 1970 zu erklären müssen wir ein wenig mehr ausholen. Dieses Jahr steht im Zentrum des Zusammenbruchs des Bretton-Woods Systems mit dem fix an Gold gebundenen Dollar (35$ pro Unze), der in zwei Schritten erfolgte: Die Aufgabe der Preisstabilisierung  am privaten Londoner Goldmarkt 1968 und schliesslich die Suspendierung der offiziellen Goldkonvertibilität des Dollars 1971. Danach war Gold de facto demonetisiert und ein Prozess, der mit dem Ersten Weltkrieg begonnen hatte, kam zu seinem Ende.

Unter einem strikten Goldstandard erfolgte die Anpassung zwischen Gold und Konsumentenpreisen über eine Anpassung der letzteren. Das lässt sich schön an der CH-Entwicklung vor 1914 illustrieren wo, wie auch in anderen Ländern, längere Inflations- durch Deflationsphasen abgelöst wurden: Inflation (Deflation) bei einem fixen Goldpreis führt zu einem Sinken (Ansteigen) des realen Goldpreises, was einerseits zu einer Mehr- (Minder-) Nachfrage nach Gold für nicht-monetäre Zwecke führt und andererseits die Anreize für Goldproduktion reduziert (erhöht). Daraus ergibt sich längerfristig zwangsläufig eine Reduktion (Erhöhung) des Geldangebots und eine Stabilisierung der Preise. Mit der Inflation während des Ersten Weltkriegs und der temporären Aufgabe des Goldstandards ändern sich aber die Spielregeln: Anstatt durch Deflation wurde die Inflation teilweise durch Anhebung des Goldpreises kompensiert (Abwertung Dollar 1933 und Franken 1936) und im Bretton Woods System ermöglichte der Dollar als zweites internationales Reservemedium neben Gold eine Inflationsentwicklung bei konstantem Goldpreis. Diese Politik führte zu einer laufenden Substitution des Goldes durch den Dollar als Währungsreserveeinheit, die letztlich die Demonetisierung des Goldes erzwang. Aufgrund der Demokratisierung der Politik seit 1918 ist in den westlichen Industrieländern ein Goldstandard unmöglich geworden, da ein «Aussitzen» von längeren ausgeprägten Deflationsphasen politisch nicht mehr möglich ist.

Zusammenfassend könne wir festhalten, dass  Gold heute sicher nicht mehr der Stabilitätsanker wie zur Zeit des Goldstandards ist. Unsere Analyse suggeriert aber, dass Goldanlagen im Mittel der letzten 50 Jahren eine nicht zu vernachlässigende reale Rendite ergaben. Dieses positiver Aspekt wird durch zwei Faktoren allerdings relativiert: Erstes ist klar ersichtlich, dass der Goldpreis ausserordentliche volatil ist und wir haben auch immer wieder längere Perioden mit sinkendem Realwert des Goldes . Dies war zum Beispiel von 1985-2005 der Fall, einer Phase der geopolitischen Entspannung («Ende der Geschichte») mit günstiger wirtschaftlicher Entwicklung («Grosse Moderation»). Zweitens ist die starke Goldpreissteigerung in den 1970er Jahren zu einem grossen Teil durch den während der Bretton Woods Jahre aufgestauten Preisanpassungsdruck bedingt. Da sich diese historisch singuläre Situation nicht mehr ergeben wird, ist damit eine positive Verzerrung der Goldpreiswachstumsrate seit 1970 verbunden. 

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