Grenzgänger – ein wichtiger Pfeiler für Patente „Made in Switzerland“

Co-Autoren: Matthias Niggli und Christian Rutzer

Die grosse Bedeutung von ausländischen Erfindern, Unternehmern und Forschern, welche vor oder während der Industrialisierung in die Schweiz immigrierten und hier eine fruchtbare Umgebung für die Umsetzung ihrer Ideen vorfanden, ist bekannt. Man denke an Heinrich Nestle, an die Familien Maggi, Brown und Boveri, an Gründer von Uhrenmanufakturen oder an die zahlreichen Persönlichkeiten, welche entscheidend an der Entstehung der Chemisch-Pharmazeutischen Industrie in Basel mitwirkten.  Wie steht dies aber heute?

Im Rahmen eines grösseren Forschungsprojektes zum Innovationsstandort Schweiz (innoscape.ch) sind wir  am Center for International Economics and Business| CIEB an der Universität Basel dieser Frage nachgegangen. Wir haben Patentdaten analysiert, die Aufschluss über die Urheber von Erfindungen geben. Dabei konzentrierten wir uns in einem Teilprojekt auf die Bedeutung der Grenzgänger bei der Entwicklung von Patenten am Standort Schweiz (https://innoscape.ch/en/publications/cross-border-commuting-and-inventions-made-in-switzerland). Eine solche Analyse gibt es unseres Wissens bisher nicht.

Dazu werteten wir die ab 1990 registrierten Patente von Firmen mit Domizil in der Schweiz aus und bestimmten den Beitrag der Grenzgänger für unterschiedliche Branchen und Regionen. Ausländische Erfinder werden dann als Grenzgänger definiert, wenn sie (1) in einer Grenzregion ausserhalb der Schweiz wohnen, (2) die Firma, die das Patent besitzt, in der Schweiz einen Forschungsstandort hat und (3) dieser Forschungsstandort in einer Region angesiedelt ist, welche nahe am Wohnort der Erfinderin liegt.

Erste Ergebnisse dokumentieren, dass Grenzgänger unerwartet viel zur Innovationstätigkeit in der Schweiz beitragen. Unsere Analyse impliziert, dass rund 10% aller Schweizer Patente von ihnen entwickelt werden. Anfang der 1990er-Jahre lag dieser Wert noch bei etwa 5%. In einzelnen Regionen und Technologiefeldern ist der Beitrag sogar noch ausgeprägter. So weisen beispielsweise in der Region Nordwestschweiz erarbeitete Patente einen Grenzgänger-Anteil von bis zu 25% auf, was zu einem erheblichen Masse an den beiden Basler multinationalen Unternehmen Roche und Novartis liegen dürfte. Die gesamte Schweizer Pharmaindustrie weist bei der Patententwicklung im betrachteten Zeitraum einen Grenzgänger Anteil von rund 20% aus, der im Jahre 2005 gar auf über 30% anstieg.

Der hohe Beitrag zur Innovation ist aber nicht nur in der Basler Region sichtbar, sondern gilt in ähnlichem Umfang auch für die anderen Grenzregionen. Im Tessin liegt der Grenzgänger-Anteil bei der Patententwicklung bei 10-20%. In der Genfersee-Region ist er von unter 5% auf 15% angestiegen, in der Ostschweiz von unter 5% auf über 10%. Auch diese Regionen profitieren also in grossem Masse von der erfinderischen Tätigkeit ausländischer Arbeitnehmer bei Firmen in der Schweiz. Interessant ist auch, dass im IT-Bereich (Digitale Kommunikation, Computer Technologie) der Anteil der Grenzgänger an in der Schweiz entwickelten Patenten seit 1990 von 0% auf 8% (Digitale Kommunikation) bzw. 4% (Computer Technologie) stark angestiegen ist.

Aufschlussreich ist zudem, dass die an Patenten beteiligten Grenzgänger und die an Patenten mitwirkenden, in der Schweiz wohnenden Personen parallel zunahmen. Das deutet darauf hin, dass sich ausländische und inländische Erfinderinnen gegenseitig inspirieren und den Innovationsstandort Schweiz gemeinsam voranbringen. Diese Interpretation deckt sich mit Ergebnissen aus der Arbeitsmarktökonomie (z.B. von Conny Wunsch, George Sheldon, oder einer kürzlich veröffentlichten KOF-Studie), welche generell auf eine hohe Komplementarität zwischen in- und ausländischen Arbeitskräften hinweisen. Bei der Analyse des Innovationsstandortes Schweiz gilt es also die Bedeutung von Grenzgängern noch mehr unter die Lupe zu nehmen, da sie einen Beitrag zu Erfindungen in der Schweiz, und nicht im Ausland, leisten.

Auf der interaktiven Homepage https://innoscape.ch/en/publications/cross-border-commuting-and-inventions-made-in-switzerland finden Sie einen ausführlichen Beitrag von Matthias Niggli, Christian Rutzer und Dragan Filimonovic

3 Kommentare

  1. Absolut interessantes Forschungsprojekt mit erstaunlichem Ergebnis. Vielen Dank Herr Professor Rolf Weder! Habe mir erlaubt, Ihren Artikel auf meinem Blog zu verlinken und ein Trackback zu setzen. mfg Bettina Metzler

  2. Schöne Analyse, die zeigt, dass Offenheit und Vielfalt gut für Innovation und Wohlstand ist. Hoffentlich lässt sich die Schweiz auch in Zukunft nicht von diesem erfolgreichen Weg abbringen.

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