The blame game: Das US-Handelsbilanzdefizit und der Franken-Dollar Kurs

Kürzlich brandmarkte das «U.S. Department of the Treasury» die Schweiz und die SNB als Währungsmanipulatoren und tat sich mit Ratschlägen für eine «bessere» Schweizerische Geld- und Fiskalpolitik hervor. Der Manipulationsvorwurf basiert auf drei Kriterien: Der Höhe des Leistungsbilanzüberschusses im Verhältnis zum BIP, dem bilateralen Handelsbilanzüberschuss gegenüber den US im Güterverkehr und der Höhe der Devisenmarktinterventionen relativ zum BIP. Diese Kriterien sind äusserst fragwürdig und die «Ratschläge», die offenbar ohne tiefere Kenntnis der Schweizerischen Volkswirtschaft gemacht wurden, sind schlicht unbrauchbar. Interessant ist aber eine andere Frage: Ist es überhaupt möglich, durch eine stärkere Abwertung des Dollars gegenüber dem Franken eine Verbesserung der bilateralen Handelsbilanz zu Gunsten der USA zu erreichen?

Wie wir aus der Aussenwirtschaftstheorie wissen, setzt eine Verbesserung der Handelsbilanz voraus, dass Importe und Exporte genügend preiselastisch sind (sogenannte Marshall-Lerner Bedingung). Ist dies nicht der Fall, dann führt die Abwertung lediglich zu einer Verringerung der Exporterlöse und/oder zu einer Erhöhung der Importausgaben. Zudem ist auch das Preisfestsetzungsverhalten von Importeuren und Exporteuren zentral, denn diese könnten die Wechselkursveränderungen auch teilweise oder gar vollständig kompensieren.  Es ist somit eine empirische Frage, ob eine «Währungsmanipulation» überhaupt den unterstellten Einfluss hat.

Abbildung 1 zeigt den Verlauf des bilateralen Handelsbilanzüberschusses der Schweiz mit den USA in US-Dollar sowie den Verlauf des Franken-Dollar Wechselkurses. Wir sehen den starken Wertverlust des Dollars (Fall von 1.60 bis 1.80 auf unter 1) in den letzten zwanzig Jahren sowie den gewaltigen Anstieg des Handelsbilanzdefizits der USA von ca. 1 Mia zu ca. 7 Mia pro Quartal. Dieser Befund ist nicht etwa eine Singularität der letzten 20 Jahre, sondern er reflektiert den realen (inflationsbereinigten) Wertverlust des Dollars von ca. 0.9 % im Schnitt pro Jahr seit dem Ersten Weltkrieg. Vor diesem Hintergrund scheint der Vorwurf schlicht absurd, dass die Verhinderung einer «genügenden» Aufwertung des Frankens die Ursache für das US-Handelsbilanzdefizit sei.

Abbildung 1

Abbildung 2 gibt uns einen ersten Hinweis auf die tatsächliche Ursache des US-Handelsbilanzdefizits. Sie zeigt uns die indizierte Entwicklung des nominalen BIPs der beiden Länder (2000/Q1 = 1). Aufgrund der extrem expansiven Geld und Fiskalpolitik ohne Rücksicht auf die explodierende Staatsverschuldung ist das US-BIP seit 2000 um ca. 115% gewachsen, während in der Schweiz «nur» eine Zunahme von ca. 55% zu verzeichnen ist. Damit scheint es plausibel, dass das US Handelsbilanzproblem primär durch die eigene expansive Politik und nicht durch «Währungsmanipulation» der SNB verursacht wird. 

Abbildung 2

Nur aufgrund dieser Trends kann natürlich noch nicht auf eine systematische Beziehung der betrachteten Variablen geschlossen werden. Eine entsprechende ökonometrische Untersuchung (Kointegrationsanalyse) zeigt jedoch eindeutig, dass dieser Zusammenhang existiert. Dabei sehen wir auch, dass das US-BIP bei weitem der dominanteste Einflussfaktor und statistisch hoch signifikant ist. Die geschätzte Elastizität des bilateralen US Handelsbilanzdefizits beträgt ungefähr 3. Eine Erhöhung des US-BIPs um 1% führt entsprechend zu einer Vergrösserung des Defizits von 3%. Die geschätzte Elastizität bezüglich des CH-BIPs ist hingegen deutlich geringer, ca. -1 und zudem statistisch nur marginal signifikant. Das Gleiche gilt auch für den Wechselkurs, der einen Schätzwert von -0.23 aufweist, was bedeutet, dass sich eine Aufwertung des Frankens (Sinken des Wechselkurses) sogar in einer leichten Verschlechterung der US-Handelsbilanz äussert. Dieses Ergebnis ist plausibel und kann durch die im Gegensatz zu den USA hohe Einkommens- und geringe Preiselastizität der Nachfrage nach Schweizerischen Exportgütern erklärt werden. In diesem Zusammenhang sei erinnert, dass der Anteil der Chemisch-Pharmazeutischen Industrie an den CH-Güterexporte von 1997-2020 von 30 auf über 50 % gestiegen ist.

Gesamthaft können wir festhalten, dass das die Ursachen für das bilaterale US-Handelsbilanzdefizit kaum in der Schweiz liegen. Der Vorwurf der Währungsmanipulation ist nur ein weiteres Beispiel für den Versuch einer Regierung, die Ursachen von hausgemachten Probleme ohne überzeugende Begründung dem Ausland anzulasten, wie wir das momentan leider häufig sehen.

2 Kommentare

  1. Da würde ja der Schwanz mit dem Hund wedeln, wenn das US-Finanzdepartement Recht hätte. Bei den Pharmaprodukten dürften die Hersteller trotz unelastischer Nachfrage ihre Preise bei einem Anstieg des Schweizer Frankens tendenziell senken. Allerdings ändert die Qualität der Produkte in in diesem Bereich stetig, so dass Preisvergleiche über die Zeit schwierig sind.

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