Die methodischen Tücken von betrieblichen Lohngleichheitsanalysen

Co-Autorin Rahel Felder,

Seit dem 1. Juli 2020 besteht laut dem Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann die Pflicht für Arbeitgebende mit 100 und mehr Mitarbeitenden zur betriebsinternen Lohngleichheitsanalyse. Ziel ist es, den verfassungsrechtlichen Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit zu erwirken. Zur Gewährleistung der Wissenschaftlichkeit und der Rechtskonformität der Lohngleichheitsanalyse hat der Bund das Analysetool Logib Modul 1 entwickelt und es kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Analyseergebnisse ziehen grundsätzlich keine amtlichen Konsequenzen nach sich, sind jedoch im öffentlichen Beschaffungs- und Subventionswesen relevant. Darüber hinaus können seit Kurzem kleinere Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitenden das Logib Modul 2 für eine Risikoabschätzung möglicher Lohnungleichheit nutzen. Ganz aktuell wird im Kanton Basel-Stadt darüber diskutiert, ob die Lohngleichheitsanalyse anhand des Logib Moduls 2 für Betriebe mit weniger als 100 Mitarbeitenden verpflichtend gemacht werden soll.

Das Analysetool Logib Modul 1 kann online und ohne spezielle Fachkenntnisse genutzt werden. Anhand der Methode wird ermittelt, welcher Teil der Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern innerhalb eines Betriebes nicht durch objektive Faktoren erklärt werden kann. Sie berücksichtigt folgende objektiven Lohndeterminanten: Als personenbezogene Eigenschaften werden Masse für die Ausbildungsjahre und die potenzielle Erwerbserfahrung, welche aus dem Alter und den Ausbildungsjahren konstruiert wird, aufgenommen. Des Weiteren werden das betriebsbezogene Merkmal Dienstalter sowie die tätigkeitsspezifischen Merkmale betriebliche Stellung und Kompetenzniveau einbezogen. Die konkrete Art der beruflichen Tätigkeit wird dagegen nicht berücksichtigt. Das statistische Analyseverfahren ist eine klassische lineare Regression, in welcher der Einfluss der objektiven Lohndeterminanten und die zusätzliche Auswirkung des Geschlechts auf den logarithmierten und standardisierten Bruttolohn ermittelt werden. Ist der Geschlechtskoeffizient statistisch signifikant kleiner als -5 Prozent bzw. grösser als 5 Prozent, dann besteht gemäss dem Analysetool die begründete Vermutung, dass im Betrieb Frauen bzw. Männer systematisch geringer entlohnt werden.

Als Teil eines grösseren unabhängigen Forschungsprojekts zu methodischen Aspekten von Lohngleichheitsanalysen haben wir in einer aktuellen Studie, welche vom WWZ Förderverein unterstützt wird, das Logib Modul 1 methodisch evaluiert. Mit den Daten der schweizerischen Lohnstrukturerhebung für das Jahr 2018 wurden darin die betriebsinternen Lohngleichheitsanalysen für Betriebe mit mindestens 60 Mitarbeitenden in den Daten repliziert. Dabei zeigen sich zwei Schwächen des Logib Moduls 1.

Zum einen bleibt unklar, warum die Art der beruflichen Tätigkeit im Logib Modul 1 nicht einbezogen wird. Dies ist umso überraschender, als im Logib Modul 2 Unterschiede in den ausgeübten Funktionen mit insgesamt sechs Dimensionen stärker berücksichtigt werden, beispielsweise hinsichtlich psycho-sozialer und physischer Anforderungen und Belastungen. Die Daten zeigen klar, dass sich Mitarbeitende mit gleichem Ausbildungsniveau, gleicher potenzieller Erfahrung, gleicher beruflicher Stellung und gleichem Kompetenzniveau hinsichtlich ihrer beruflichen Tätigkeit innerhalb eines Betriebes wesentlich unterscheiden. Wird diese Heterogenität in der Lohnanalyse nicht berücksichtigt, fällt ein deutlich grösserer Anteil an Betrieben in den Bereich kritischer Lohnunterschiede.

Hinter der Nichtberücksichtigung der Berufe im Logib Modul 1 trotz der vorhandenen Heterogenitäten könnte natürlich die Ansicht stecken, dass Frauen und Männer mit gleicher Ausbildung, potenzieller Erfahrung, gleicher beruflicher Stellung und gleichem Kompetenzniveauunabhängig von der spezifischen Tätigkeit gleich entlohnt werden sollen, weil die Tätigkeiten als gleichwertig betrachtet werden. Ein Beispiel wäre eine weibliche Putzkraft und ein männlicher Hauswart, die im Logib Modul 1 in dasselbe Vergleichssegment fallen würden. Eine solche Sichtweise ignoriert jedoch die wirtschaftlichen Realitäten. Zum einen sind unterschiedliche Berufe selbst bei gleichem Ausbildungsniveau, gleicher potenzieller Erfahrung, beruflicher Stellung und gleichem Kompetenzniveau mit unterschiedlichen Anforderungen verbunden, welche entsprechend entlohnt werden müssen, um geeignete Fachkräfte zu bekommen. Beispielsweise muss ein Hauswart bestimmte technische Fähigkeiten mitbringen, welche die Putzkraft nicht benötigt. Zum anderen herrschen in unterschiedlichen Berufen unterschiedliche Gegebenheiten hinsichtlich Angebot und Nachfrage, die zu unterschiedlichen Marktlöhnen führen. Eine Verpflichtung diese Gegebenheiten zu ignorieren, um eine Angleichung der Löhne zu erreichen, käme einem erheblichen staatlichen Eingriff in den Markt für Fachkräfte gleich mit entsprechenden Folgen für die Wirtschaft.

Die zweite Schwäche von Logib Modul 1 ist das Vorhandensein vergleichbarer Frauen und Männer innerhalb eines Betriebes. Wie wahrscheinlich ist es, in derselben Kita männliche und weibliche Betreuungspersonen zu finden oder männliche und weibliche Bauleiter innerhalb einer Baufirma? Abbildung 1 zeigt den durchschnittlichen Anteil Frauen ohne ein männliches Pendant in mindestens einem lohnbestimmenden Merkmal, das vom Logib Modul 1 berücksichtigt wird. Dieser Anteil variiert stark mit der Betriebsgrösse. Im privaten Sektor beträgt der Anteil für die kleinste Betriebsgrösse 69 Prozent und für die grösste Betriebsgrösse noch 18 Prozent. Im öffentlichen Sektor sind die entsprechenden Zahlen etwas niedriger und liegen bei 58 und 17 Prozent. Das Ausmass fehlender Vergleichbarkeit von Frauen und Männern innerhalb von Betrieben ist somit erheblich und stellt ein Kernproblem betriebsinterner Lohngleichheitsanalysen dar.

Abbildung 1: Fehlende Vergleichbarkeit zwischen Frauen und Männern nach Betriebsgrösse und Sektor in Prozent. Quelle: LSE 2018.

Anmerkung: Die Balken geben an, wie hoch der Anteil an Frauen innerhalb eines Betriebes je Betriebsgrösse ohne einen in den lohnbestimmenden Merkmalen nach Logib vergleichbaren Mann ist.

Aus wissenschaftlicher Sicht wäre die Anpassung des Logib Moduls 1 somit in zwei Dimensionen empfehlenswert. Zum einen sollten unterschiedliche berufliche Tätigkeiten berücksichtigt werden. Im Minimum sollten dieselben Dimensionen Berücksichtigung finden wie in Modul 2. Besser wäre jedoch unterschiedlichen Berufen direkt Rechnung zu tragen.

Zum anderen sollte ein zusätzliches Tool zur Prüfung der Vergleichbarkeit von Frauen und Männern bereitgestellt werden. Dies gilt im Übrigen auch für Logib Modul 2. Aufgrund seiner spezifischen Ausrichtung auf kleine Betriebe ist Modul 2 zwar weniger anfällig für verzerrte Ergebnisse bei ungenügender Vergleichbarkeit. Seine Aussagekraft nimmt jedoch ab, wenn sich Frauen und Männer zu stark in den lohnrelevanten Merkmalen unterscheiden, weil bestimmte Vergleiche dann gar nicht möglich sind. Dies sollte bei der Entscheidung über eine Ausweitung der Analysepflicht auf kleinere Betriebe mittels Modul 2 berücksichtigt werden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass betriebliche Lohngleichheitsanalysen unterschiedlichen Tätigkeiten ausreichend Rechnung tragen sollten und es ist ratsam, ihre Ergebnisse immer unter Einbezug einer Bewertung der Vergleichbarkeit von Frauen und Männern im Betrieb zu interpretieren.

Ein Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie erhalten Sie hier: Link

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