Zigarettenverkaufsverbot an Jugendliche: Nicht zu viel erwarten!

*Im Entwurf zum neuen Tabakproduktegesetz der Schweiz soll der Verkauf von Zigaretten an unter 18-Jährige national einheitlich verboten werden. Abgabeverbote an Jugendliche sind eine der zahlreichen Massnahmen zur Tabakprävention, die in der Schweiz auf allen Staatsebenen ergriffen werden. Rauchen ist in der Schweiz weiterhin stark verbreitet. So rauchen gegenwärtig etwa 27% der Schweizer Bevölkerung und 9’500 Personen sterben pro Jahr an den Langzeitfolgen des Rauchens.

In einer Studie mit Armando Meier und Reto Odermatt, die kürzlich im Journal of Economic Behavior & Organization erschienen ist, haben wir die bisherigen Erfahrungen mit den Abgabeverboten in den Kantonen der Schweiz evaluiert. Kurz zusammengefasst, wir finden, dass Abgabeverbote von Zigaretten an Jugendliche das Rauchen zwar nicht attraktiver machen, Jugendliche aber auch nicht gross vom Rauchen abhalten. Im Folgenden werde ich darlegen, wie wir auf das Ergebnis gekommen sind, und vor allem auch wie es im Kontext einer föderalen Präventionspolitik einzuordnen ist.

Bisherige Politik

Tabakkonzerne und Tabakprävention stehen in ständigem Wettstreit. Werbung für Tabakprodukte und Präventionskampagnen kämpfen um Aufmerksamkeit und um die Hoheit über Bilder und Vorstellungen, die mit dem Rauchen verbunden sind. In der staatlichen Politik setzt man in der Schweiz zudem neben der Besteuerung von Zigaretten vor allem auch auf Rauchverbote in der Gastronomie und am Arbeitsplatz. Letztere haben insbesondere das Passivrauchen und in einem geringen Umfang auch die Rauchneigung generell reduziert, wie eine Studie von Boes, Marty und Maclean aus dem Jahr 2015 zeigt. Inwiefern die Massnahmen Hilfe zur Selbsthilfe bieten für jene, die gerne weniger rauchen oder mit dem Rauchen aufhören möchten, haben Reto Odermatt und ich in einer Arbeit aus dem gleichen Jahr untersucht. Wir finden, dass Rauchverbote, die Lebenszufriedenheit von Individuen erhöhen, die gerne mit Rauchen aufhören möchten höhere Zigarettenpreise aber nicht.

Die aktuelle Debatte dreht sich um striktere Werbeverbote und eben Abgabeverbote. Die Tabakindustrie wehrt sich vor allem gegen erstere und scheint Abgabeverbote von Zigaretten an Jugendliche eher zu akzeptieren, möglicherweise auch um Haftungsrisiken zu vermindern.

Unterschiedliche Erwartungen

Die mit dem Abgabeverbot verbundenen Erwartungen sind denn auch sehr unterschiedlich. Einerseits befürchten teils auch Jugendverbände eine mögliche kontraproduktive Wirkung: Rauchen könnte durch das Verbot, respektive den Reiz des Verbotenen, sogar attraktiver werden. Andererseits gehen Vertreterinnen und Vertretern der kantonalen Gesundheitsdirektionen zum Teil davon aus, dass der Raucheranteil unter Jugendlichen durch Abgabeverbote stark reduziert werden kann, wie unsere eigene Umfrage zeigt. Unter den 14- bis 17-Jährigen geben 2016 16% an, dass sie zumindest gelegentlich rauchen. Dieser Anteil, so die Hoffnung, sollte mit der Massnahme bis unter 10% reduziert werden.

Analyse im Politiklabor der Schweizer Kantone

Bisher gibt es in der Schweiz kaum systematische Untersuchungen zu den Auswirkungen der Abgabeverbote auf das Rauchen und die Einstellungen der Jugendlichen zum Rauchen. Die Erfahrungen in der Schweiz bieten sich jedoch auf ideale Weise an, um die Konsequenzen von Abgabeverboten zu untersuchen. So haben bis heute 24 Kantone eine Form von Abgabeverboten eingeführt, wobei diese entweder für unter 16- oder für unter 18-Jährige gelten. Die unterschiedlichen Einführungszeitpunkte in unserer Analyse erstrecken sich über den Zeitraum von 2006 bis 2015. Sie erlauben es uns umfassende Vorher-Nachher-Vergleiche anzustellen, bei denen wir generelle nationale Trends über die Zeit, wie zum Beispiel den Preisanstieg für Zigaretten, herausrechnen können.

Kaum Auswirkungen

In den Umfragedaten des Tabak- und Suchtmonitorings von 2001 bis 2016 mit über 28’000 Jugendlichen unter 21 Jahren zeigt sich, dass das Rauchen und Raucher nicht als cooler eingeschätzt werden nach der Einführung von Abgabeverboten. Das Rauchen scheint im Gegenteil eher ein wenig an Attraktivität zu verlieren. Die Jugendlichen schätzen das Rauchen wegen der Massnahme jedoch auch nicht als gefährlicher ein. Was die Rauchneigung unter den Jugendlichen bis und mit 20 Jahren angeht, so zeigt sich in zwei Datensätzen mit 80,000 Beobachtungen, dass das Abgabeverbot höchstens zu einer kleinen Reduktion in der kurzen Frist geführt hat. Für junge Erwachsene, die als Jugendliche unter einem Abgabeverbot standen, finden wir zudem auch längerfristig keine tiefere Rauchneigung. Eine grosse durchschnittliche Verringerung der Rauchprävalenz können wir deshalb mit grosser statistischer Wahrscheinlichkeit ausschliessen.

Möglicherweise verbergen sich hinter diesem Durchschnittseffekt unterschiedliche Konsequenzen für verschiedene Bevölkerungsgruppen, wobei allerdings bei solchen Analysen die Gefahr zufälliger Scheineffekte steigt. In unserer Analyse ist die Einführung der Abgabeverbote bei Jugendlichen, deren Vater eher hoch gebildet ist, mit einer leicht höheren Rauchneigung verbunden. Hingegen haben jene Jugendliche, deren Vater eher ein tiefes formelles Bildungsniveau aufweist, unter einem Abgabeverbot eine leicht tiefere Rauchneigung. Auch scheint der kleine und statistisch unscharfe negative Durchschnittseffekt durch jene Kantone getrieben, die das Abgabeverbot bis zum Alter 18 anwenden.

Umgehung über Freundinnen und Freunde

Eine mögliche Erklärung für die geringe Wirkung ist, dass Jugendliche die Abgabeverbote umgehen. Einerseits weisen die Umfragedaten daraufhin, dass die Jugendlichen bei einem Abgabeverbot tatsächlich weniger oft an einem Kiosk Zigaretten kaufen. Andererseits scheint der Zugang zu Zigaretten insgesamt dennoch wenig erschwert, da Jugendliche stattdessen Zigaretten über Freundinnen und Freunde beziehen. Dieses Umgehungsverhalten scheint ein wichtiger Grund für die geringe Wirkungskraft der Abgabeverbote zu sein.

Zwischenfazit

Man sollte sich bewusst sein, dass Abgabeverbote, zumindest, wenn sie nicht mit polizeistaatlichen Massnahmen umgesetzt werden, kaum zu einer grossen Verringerung der Rauchprävalenz beitragen. Kritische Stimmen, beispielsweise von Jugendverbänden, sprechen sogar von einer «Alibiübung»: Abgabeverbote seien eher eine Möglichkeit für die Regierung und für die Tabakkonzerne, sich aus der Verantwortung zu ziehen.

Gleichzeitig müssen wir anerkennen, dass die Basis für evidenzbasierte Politik noch gering ist. So wissen wir beispielsweise nicht, ob das Abgabeverbot allenfalls eine höhere Wirkung entfaltet, wenn es zusammen mit einem Werbeverbot zum Einsatz kommt.

Eine Überlegung zum Schluss

Insgesamt scheint mir beim Abgabeverbot noch eine ganz anders gelagerte Frage wichtig und zwar jene nach dem Bedarf einer einheitlichen nationalen Regel. Wir haben in unserer Analyse nämlich keinen Hinweis darauf gefunden, dass hinter dem kleinen Effekt ein Ausweichverhalten über Kantonsgrenzen hinweg stecken würde. Die kantonale Umsetzung unterschiedlich strikter Regeln hat sich beim Abgabeverbot als möglich erwiesen. Damit können quer durch die Schweiz unterschiedliche Vorstellungen über den Umgang mit dem Rauchen berücksichtigt werden, und diese Diversität der Regulierung ermöglicht es dann auch, von den Erfahrungen jener Kantone zu lernen, die alternative Wege in der Prävention einschlagen. Davon dürfen wir uns ruhig viel erwarten!

Referenzen

Boes, S., Marty J. und Maclean, C. (2015). The Impact of Smoking Bans on Smoking and Consumer Behavior: Quasi-Experimental Evidence from Switzerland. Health Economics, 24: 1502–1516.

Meier A., Odermatt R. und Stutzer A. (2021). Tobacco Sales Prohibition and Teen Smoking. Journal of Economic Behavior & Organization, 188: 998-1014.
https://doi.org/10.1016/j.jebo.2021.06.002

Odermatt, R. und Stutzer A. (2015). Smoking Bans, Cigarette Prices and Life Satisfaction. Journal of Health Economics, 44: 176-194.

* Dies ist eine gekürzte und überarbeitete Version des Beitrags von Armando Meier, Reto Odermatt und Alois Stutzer in der Ökonomenstimme vom 5. Juli 2021.

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