Den Businesspartner heiraten?

Co-Autor Christian Thöni

Unter dem Motto «Geschichte am Wendepunkt» fand das diesjährige Weltwirtschaftsforum in Davos im Zeichen einer von multiplen Krisen—Ukraine, Klima, Inflation, Flüchtlingswellen, Hunger– geplagten Welt statt.[1] Lieferkettenprobleme, Protektionismus und Nationalismus lähmen Welthandel und Globalisierung—die neue Realität heisst Deglobalisierung.[2] Um die aktuellen Krisen zu bewältigen brauchen wir in dieser neuen – fragmentierten – Welt aber eher mehr als weniger internationale Zusammenarbeit. «Kooperation statt Abschottung» titelte denn auch die NZZ in ihrer Printausgabe vom 28. Mai 2022. 

Kooperation statt Abschottung, aber wie?

Eine zentrale Eigenschaft vieler strategischer Interaktionen ist, dass sie Raum für opportunistisches Verhalten einzelner Akteure bieten und nur durch Kooperation Effizienzgewinne erreicht werden können. Klassische Beispiele für solche Situationen sind Teamarbeit in Unternehmen, Bereitstellung öffentlicher Güter, Kartellabsprachen zwischen Firmen, Klimaverhandlungen etc. Die Gemeinschaft fährt am besten wenn Alle kooperieren, aber jeder Einzelne hat den Anreiz von diesem Verhalten abzuweichen und seine eigenen Interessen zu verfolgen.

Ein gängiger Modellrahmen, in welchem sich die Spannung zwischen persönlicher Nutzenmaximierung und kooperativem Verhalten darstellen und untersuchen lässt ist das Gefangenendilemma in der Spieltheorie: Zwei Spieler haben die Wahl zwischen Kooperation und eigennützigem Verhalten. Wenn beide Spieler kooperieren bringt dies mehr Nutzen als wenn sie sich beide eigennützig verhalten. Sich eigennützig zu verhalten, während der andere Spieler kooperiert, erbringt allerdings den höchsten Nutzen. Umgekehrt führt die Kooperation mit einem Spieler, der sich selbst eigennützig verhält zum geringsten Nutzen. Dass es in einer einmaligen Interaktion somit nicht zur Kooperation kommen kann ist die zentrale Erkenntnis des spieltheoretischen Gleichgewichtskonzepts benannt nach dem Nobelpreisträger John Nash. Dieses soziale Dilemma kann überwunden werden, wenn eigennütziges Verhalten bestraft werden kann. Eine Bestrafungsmöglichkeit besteht darin, dass der Mitspieler eines eigennützigen Akteurs sich zukünftig ebenfalls eigennützig verhält. Je härter diese potentielle Bestrafung ist, desto besser funktioniert Kooperation.

«Multigame Contact» oder heiraten Sie Ihren Businesspartner

Wir sind alle in mehreren derartigen sozialen Dilemmas engagiert und oftmals haben wir auch Einfluss darauf wer unsere Mitspieler sind. Hier stellt sich die Frage ob es sinnvoll ist, diese Interaktionen auf wenige Mitspieler zu konzentrieren («multigame contact») oder eine breite Diversifizierung der Mitspieler anzustreben. Die wirtschaftswissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet hat gezeigt, dass eine Konzentration auf wenige Mitspieler nie schaden kann (Bernheim und Whinston, 1990) und in der Regel vorteilhaft ist (Spagnolo, 1999). Die Idee dahinter ist intuitiv. Das Schaffen von mehreren Anknüpfungspunkten mit demselben Spieler erhöht das Bestrafungspotenzial: eigennütziges Verhalten eines Akteurs in einem Bereich löst eine Bestrafungsreaktion des Mitspielers in allen Bereichen der Interaktion aus.  Diese härtere Bestrafung reduziert den Nutzen von opportunistischem Verhalten und macht Kooperation dadurch stabiler.

Diese Erkenntnis, dass Kooperation gefördert wird, wenn mehrere Anknüpfungspunkte geschaffen werden, prägt die Gestaltung von politischen Verhandlungen («Guillotine-Klausel» bei den bilateralen Verträgen[3]), inspiriert das Design von wettbewerbspolitischen Instrumenten (Lefouili und Roux, 2012) und kann sogar Anwendung im Privatleben finden («[…]business success can strengthen a marriage[…]» in https://nevadasmallbusiness.com/married-business-partners/)

Schaffen von Anknüpfungspunkten — Funktioniert das wirklich?

Mehrere Anknüpfungspunkte mit demselben Akteur können also kooperatives Verhalten stabilisieren. So jedenfalls die Theorie. Funktioniert das wirklich?

Unsere Antwort darauf: Jein.

Unser jüngstes Forschungsprojekt in dem wir den Einfluss von multigame contact auf Kooperation in einem ökonomischen Laborexperiment untersuchen zeigt, dass die Realität komplizierter ist: Während wir in einigen Märkten stabile Kooperation beobachten, ruinieren mehrere Anknüpfungspunkte die Kooperation in anderen Märkten komplett. Der Grund dafür ist, dass die kombinierten Bestrafungsstrategien oft tatsächlich ausgeführt werden, womit jegliche Kooperation zerstört wird. In Kontrollgruppen ohne multigame contact kann Kooperation in einzelnen strategischen Interaktionen einfacher aufrecht erhalten werden. Multigame contact ist somit ein zweischneidiges Schwert (Laferrière et al., 2021).

Daher können wir die Heirat des Businesspartners nicht vorbehaltlos empfehlen.

Wie weiter?

In einem anknüpfenden Forschungsprojekt setzen wir uns unter anderem mit der Frage auseinander wie strategische Interaktionen optimal gestaltet werden müssen damit die positiven Effekte von multigame contact überwiegen. Die Hoffnung wäre einen Beitrag zu leisten, damit die nächsten Generationen mehr Kooperation und weniger Konfrontation erleben.

Bernheim, BD; Whinston, MD; 1990. Multimarket Contact and Collusive Behavior. RAND Journal of Economics, 21(1): 1—26.

Laferrière, V; Montez, J; Roux, C; Thöni, C; 2021. Multigame Contact and Cooperation. CEPR Discussion Paper, DP 16349.

Lefouili, Y; Roux, C; 2012. Leniency Programs for Multimarket Firms: The Effect of Amnesty Plus on cartel formation. International Journal of Industrial Organization, 30(6), 624—640.

Spagnolo, G; 1999. On Interdependent Supergames: Multimarket Contact, Concavity, and Collusion. Journal of Economic Theory, 89(1): 127—139.


[1] (https://www.zdf.de/nachrichten/politik/weltwirtschaftsforum-davos-schwab-interview-100.html)

[2] (https://www.tagesschau.de/ausland/europa/weltwirtschaftsforum-davos-121.html)

[3] https://www.eda.admin.ch/europa/de/home/europapolitik/ueberblick/bilaterale-1.html

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