Der Krieg in der Ukraine: So kann es nicht weitergehen!

«Jetzt reicht es», ging es mir heute morgen, als ich die Zeitung öffnete, durch den Kopf. Auf der ersten Seite der NZZ ist zu lesen: «Ein katastrophaler Dammbruch. Der zweitgrösste Stausee der Ukraine entleert sich – unklar ist, ob ein Angriff oder ein Unfall dahintersteckt.» Auf dem Bild auf der ersten Seite: Eine ältere Frau steht hilflos, mit angstvollem Blick voller Unverständnis in ihrer mit Wasser überfluteten Wohnung, ihre beiden Hunde an den beiden Händen, die sie so über Wasser hält. Im Artikel lernt man dann (was ist anderes zu erwarten?), dass der Dammbruch katastrophale Folgen für Menschen, Tiere und die Natur haben wird. Der Begriff «Fukushima» wird erwähnt wegen der möglichen Auswirkungen auf Atomkraftwerke.

Letzten Samstag konnten wir ein Fest der Wirtschaftswissenschaften an unserer Fakultät mit Studierenden, ihren Angehörigen und Freunden, Gästen, Doktorierenden, Postocs, Kollegen und Kolleginnen, im Kollegienhaus der Universität feiern:

https://wwz.unibas.ch/de/aktuell/fest-der-wirtschaftswissenschaften/

Vor dem Feiern diskutierten wir viel, unter anderem darüber, wie wir die Pandemie bewältigten und welche Herausforderungen in Zukunft auf uns warten. Wir diskutierten Lösungen und was dies für unsere Disziplin bedeutet. Wir: Studierende, Doktorierende, Professorinnen und Professoren. So betonte ein Doktorand, dass wir als Ökonomen und Ökonominnen nicht nur die «Firstbest» Lösung anstreben, sondern uns auch mit «Second-best» Massnahmen zufriedengeben sollten (z.B. in der Klimapolitik). Eine Masterstudentin wies auf die zunehmende Geschwindigkeit von Veränderungen hin, welche die Individuen überfordere. Eine andere Masterstudentin beklagte die Polarisierung der Gesellschaft durch einseitige Informationen in unterschiedlichen Medienkanälen, was die gemeinsame Bewältigung von Herausforderungen verunmögliche. In allen Fällen wurde mehr Engagement und Forschung von Ökonomen und Ökonominnen in diesen Themen gewünscht. Und ein Unternehmer beklagte, dass man wohl wenig aus der Pandemie gelernt habe—seine Kollegen würden wohl heute wiederum gleich handeln, wenn sie vor einer neuen Pandemie stünden.

Dr. Kurt Pelda, Alumnus unserer Fakultät und Berichterstatter aus dem Krieg in der Ukraine, war auf dem Podium über eine Videobotschaft präsent. Er betonte, dass der grösste Krieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg wütet und der Einsatz für das Ende dieses Krieges ganz oben auf der Agenda stehen sollte. Er insistierte, dass insbesondere die Schweiz viel zu wenig tut für die Ukraine. Vielen von uns sprach Pelda aus dem Herzen, oder machte uns zumindest nachdenklich. Ja, wir machen zu wenig, um diesen Krieg zu beenden — oder zumindest den attackierten Ukrainern zu helfen. Die Schweiz könnte zum Beispiel helfen, Mienen zu beseitigen. Sie verfügt scheinbar über eine weltweit führende Technologie. Sicher könnte sie auch sonst mehr tun. Hier der Link zur Grussbotschaft von Kurt Pelda am 3. Juni 2023: https://youtu.be/-orDqktQmTI

Was soll man noch mehr sagen. Wir müssen Schlimmeres verhindern. Es ist nicht unerwartet, dass solche Dinge (Dammbruch, Zerstörung von Atomkraftwerken) im Krieg passieren. Viel ist passiert, vieles wird noch passieren — wenn wir damit in Europa nicht aufhören! Wie nennen wir uns? Homo Sapiens. Ob wir diesen Namen wirklich verdienen? Meines Erachtens muss die Schweiz endlich auch Position beziehen und wir müssen alle vereint helfen, dass die Ukrainer wieder zu ihrem Territorium, ihrer Energieversorgung, ihrer Infrastruktur, ihrer Natur, ihren Pflanzen, ihren Tieren und nicht zuletzt zu den Menschen selber, ob jung oder alt, Sorge tragen können. Sie müssen die Verantwortung übernehmen, die von den Besetzern offensichtlich nicht erwartet werden kann. Die Frage des «wie» kann man dann beantworten, wenn man zuerst erkennt, dass die Ukrainer diese Verantwortung wieder übernehmen können müssen und dass wir da nicht einfach zuschauen können, ob und bis sie dieses Ziel mehr oder weniger alleine erreichen.

Ich bin sehr besorgt und Sie wohl auch. Zudem bin ich überzeugt, dass die Schweiz als souveräner und unabhängiger Staat hier viel mehr machen kann. Dazu gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die alle bekannt sind. Nur tun muss man es. Es dürfte dazu einen breiten Konsens im Volk geben. Zuschauen, über den Krieg schreiben und über das nachdenken, wie man nach dem Ende des Kriegs im Wiederaufbau helfen kann, reicht nicht. Der Krieg ist nicht zu Ende. Im Gegenteil.

Kommentar verfassen